Magazin Einblicke - Flipbook - Page 6
«Ich bete, dass Gott mich heilt»
Nach Einschätzung der Fachpersonen benötigt Astrid Rütimann im Alltag mehr Unterstützung, als dies im betreuten
Wohnen, wo sie vorher zu Hause war, möglich ist. Nach
einem Klinikaufenthalt kam sie in die offene alterspsychiatrische Wohngruppe. «Ich wurde gar nicht gefragt, meine
Beiständin hat das veranlasst. Am Anfang habe ich nur
geweint und fühlte mich eingeschlossen», erinnert sie sich.
Inzwischen hat sie sich eingelebt und nutzt die vielen Angebote, sofern es ihr Gesundheitszustand erlaubt. Sie geht
zweimal wöchentlich ins Yoga, macht mit beim Gedächtnistraining, arbeitet in der Gartengruppe und schätzt das
Gestalten und Werken. Am meisten Freude bereiten ihr
der Gottesdienst und das gemeinsame Singen. «In unserer
Gemeinde habe ich früher Gitarre gespielt und gesungen.»
Astrid Rütimann hat einen 46-jährigen Sohn. Er war erst
vier Monate alt, als ihre Krankheit ausbrach. «Ich bin
manisch-depressiv, heute nennt man das bipolare Störung,
und bin seither in Behandlung. Insgesamt habe ich sicher
drei Jahre meines Lebens in Kliniken verbracht.» Ihr Ziel
ist es, mit ihrem neuen Partner in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen.
Verbindlichkeit und Verlässlichkeit sind zentral
Sicherheit und Verlässlichkeit ist etwas, das für viele
Bewohnende sehr wichtig ist. Feste Abmachungen, klare
Strukturen und das Verhalten der P昀氀ege- und Betreuungspersonen schaffen Vertrauen und damit einen Rahmen,
in dem sie sich aufgehoben fühlen können. Die Mitarbeitenden Betreuung und P昀氀ege nutzen die sogenannte
motivierende Gesprächsführung, um die Beziehung zu
den Bewohnenden zu stärken, deren Wünsche und Ziele
zu erkennen und Massnahmen gemeinsam zu planen und
umzusetzen.
«Es ist wichtig», hält Andrea Frey fest, «dass die getroffenen Abmachungen von beiden Seiten strikt eingehalten
werden. Auch wenn es ‹nur› um einen Spaziergang geht.
Verabredet sich eine Bezugsperson mit einer Bewohnerin
für einen Spaziergang um 15 Uhr, steht sie um 15 Uhr in
deren Zimmer.»
Angehörige einbeziehen
Auch für Angehörige von Betroffenen kann eine psychiatrische Diagnose sehr herausfordernd sein. Meist ist der
Leidensdruck gross, bis eine externe Unterbringung in
Betracht gezogen wird. Um von den gegenseitigen Erfahrungen pro昀椀tieren zu können, werden die Angehörigen
bei der P昀氀ege und Betreuung aktiv miteinbezogen und
der regelmässige Austausch ist sichergestellt. Betroffene
erkennen oft selbst, wenn sich eine Krise anbahnt; meist
wissen sie auch, welche Strategien ihnen helfen können.
Gemeinsam mit den Angehörigen und Bezugspersonen
wird daher schon beim Eintritt ein Krisen- und Notfallplan
erarbeitet, der die wichtigsten Fragen beantwortet: «Wie
spüren Sie, wenn es Ihnen schlecht geht? Was kann Ihnen
dann helfen? Was wollen Sie bei einer Spitaleinweisung
unbedingt mitnehmen?»
Anspruchsvolles Arbeitsumfeld
«Bei dieser Arbeit ist es wichtig», sagt Andrea Frey, «dass
genau verstanden wird, was warum wie gemacht wird;
6/einblicke
ein gut eingespieltes und fachlich versiertes Team ist dabei
entscheidend.» Die Mitarbeitenden haben eine psychiatrische Ausbildung absolviert oder wurden im Umgang mit
Menschen mit psychiatrischen Krankheitsbildern, im Deeskalationstraining und in der motivierenden Gesprächsführung geschult. «Die Arbeit in der Alterspsychiatrischen
Langzeitp昀氀ege ist sehr anspruchsvoll, man muss psychisch
selbst wirklich stabil sein», weiss Andrea Frey. Man müsse
empathisch sein und eine professionelle Beziehung führen
können. Abgrenzung sei dabei enorm wichtig.
In der monatlichen Intervision mit den Leitungen von
P昀氀ege, Betreuung, Hauswirtschaft und Gastronomie
werden auch die Erfahrungen im Umgang mit anspruchsvollen Bewohnenden thematisiert. Dabei kommen auch
unterschiedliche Haltungen zum Ausdruck. Was für die
P昀氀ege ein nachvollziehbares und daher tolerierbares Verhalten von Bewohnenden der Alterspsychiatrischen Langzeitp昀氀ege ist, wird von anderen als unangebracht oder
störend empfunden.
Know-how weitergeben
Es kommt immer wieder vor, dass sich der Zustand von
Bewohnenden so weit stabilisiert, dass sie nach Hause
zurückkehren oder in ein reguläres Alterszentrum umziehen können. Dadurch werden die begehrten Plätze in den
Wohngruppen wieder frei.
Längst nicht alle p昀氀egebedürftigen Menschen mit einer
psychiatrischen Diagnose benötigen ein spezialisiertes
Umfeld. Damit Bewohnende in einer regulären Wohngruppe in ihrem vertrauten Umfeld bleiben können, auch
wenn es zu problematischen oder eskalierenden Situationen kommt, bieten die Verantwortlichen der Alterspsychiatrischen Langzeitp昀氀ege fachlichen Support für die
anderen städtischen Alterszentren.
Ein Zuhause für Menschen mit einer psychiatrischen Erkrankung
Die Alterspsychiatrische Langzeitp昀氀ege im Alterszentrum Rosental verfügt über 36 Einzelzimmer. Alle
sind mit eigener Dusche und eigenem WC sowie mit
einem Balkon oder Sitzplatz ausgestattet.
Im Erdgeschoss be昀椀ndet sich der geschützte Bereich
mit 11 Zimmern und einem eigenen Garten. Zum
offenen Bereich im Obergeschoss gehören 25 Zimmer,
ein grosszügiger Aufenthaltsraum sowie eine grosse
Terrasse.
Dienstleistungen wie Coiffeur, Restaurant, Speisesaal
und Podologie stehen allen Bewohnenden zur Verfügung.
Weitere Informationen zur Alterspsychiatrischen Langzeitp昀氀ege
sowie Kontaktmöglichkeiten 昀椀nden
Sie hier: